
Lektine gibt es schon länger als die Menschheit, sie sind also so gesehen kein neues Problem. Gluten wird dabei oft als der „Promi“ unter den Lektinen bezeichnet. Ganz streng genommen ist es aber gar kein Lektin, sondern ein Speicherprotein des Weizens (bestehend aus Gliadinen und Gluteninen). Es sorgt heute für deutlich mehr Schwierigkeiten als früher. Laut einer Studie, die alte Blutproben aus den 1950er Jahren verglichen hat, ist die Häufigkeit von Zöliakie (also einer Autoimmunreaktion auf Gluten) heute etwa 4,5-mal höher als damals. Weizen enthält zusätzlich zum Gluten auch Lektine wie das Weizenkeim-Lektin (WGA). Da sowohl Gluten als auch Lektine Nahrungseiweiße sind, die die Darmbarriere reizen können, gilt: Eine lektinfreie Ernährung bedeutet automatisch auch glutenfrei zu essen. Sozusagen: „glutenfrei 2.0“.
Warum heute mehr Menschen empfindlich auf Nahrungseiweiße reagieren, ist noch nicht vollständig erforscht. Wissenschaftler vermuten, es liegt auch an „unserem Lebensstil“: Kinder werden mit Kaiserschnitt in eine Welt gebracht, die hygienischer ist, als unser Immunsystem das bräuchte, sie werden weniger lang gestillt und sind damit dem Weizeneiweiß und auch der Kuhmilch viel früher ausgesetzt. Es wird weniger reifes, saisonales oder fermentiertes Obst und Gemüse gegessen als früher, dafür nehmen wir mehr Pestizide und Medikamente über die Nahrung auf, die Böden haben weniger Nährstoffe. Wir essen Convenience Food mit langen Zutatenlisten statt Selbstgekochtes und die Zubereitung muss schneller gehen als früher. Außerdem ernähren wir uns einseitiger: Wo früher Hirsebrei, Graupensuppe oder Roggenbrot ganz selbstverständlich auf den Tisch kamen, dominieren heute Produkte aus Weizenmehl. Weizen und Mais liefern zusammen inzwischen fast 40 % der weltweiten Kalorienversorgung – während Hirse, Roggen oder Gerste, die früher täglich gegessen wurden, eine immer kleinere Rolle spielen.
Wir leben, kochen und essen einfach nicht mehr so wie unsere Urgroßeltern und viele der Tipps, um Nahrungsmittel bekömmlich zu machen, werden nicht mehr befolgt.
Ich persönlich bin absolut kein „früher war alles besser-Mensch“ und liebe mein WC mit Klospülung samt Anschluss an die Kanalisation und meine auch im Winter immerwarme und ungezieferfreie Wohnung sehr. Ich habe auch kein Bedürfnis, selber Hühner und Schafe zu halten und eine Selbstversorgerfamilie mit Gemüsegarten zu werden. Obwohl… 😉
Aber ich denke, wir müssen achtsamer mit uns und unseren Lebensmitteln (und damit automatisch auch mit unserer Umwelt und den Tieren) umgehen. Das betrifft sowohl die Lebensmittelauswahl als auch die Zubereitung.
Früher wussten unsere Urgroßeltern und Großeltern, wie man Lebensmittel bekömmlicher macht. Nahrungsmittel kamen oft noch aus dem eigenen Garten und wurden erst geerntet, wenn sie vollständig reif waren. Hülsenfrüchte wurden über Nacht eingeweicht, Gemüse fermentiert, Gurken und Tomaten geschält und entkernt, Brot mit Sauerteig durfte lange gehen. All das reduzierte die Fraßgifte der Pflanzen, die Lektine. Dieses alte Wissen geht heute immer mehr verloren, da wir unsere Lebensmittel größtenteils im Supermarkt kaufen und somit die Kontrolle über die Zubereitung und die Inhaltsstoffe verlieren.
Eine gekochte Bohne und eine im Druckkochtopf gekochte Bohne sehen zwar identisch aus und schmecken auch gleich, aber der Lektiningehalt und damit die Auswirkung auf den Darm sind komplett verschieden. Genauso verhält es sich mit einem lang fermentierten Sauerteigbrot und einem Brot, das mit Backtriebmitteln innerhalb weniger Stunden aus einem gefrorenen Teigling „aufgeblasen“ wird.
Manche Lektine sind leider unzerstörbar. Die schlechte Nachricht ist, dass deshalb auch viele glutenfreie Produkte nicht automatisch gut für uns sind – nur weil sie glutenfrei sind, heißt das nicht, dass sie frei von problematischen Lektinen wären. Lies gerne hier dazu mehr.
Aber die gute Nachricht ist, dass viele Lektine durch die richtige Kombination aus Hitze und Druck zerstört werden können. Normales Kochen oder Backen reicht meist nicht aus, um Lektine vollständig zu deaktivieren. Selbst nach stundenlangem Kochen bei 100 Grad Celsius bleiben viele Lektine aktiv. Im Ofen wird es zwar heißer, aber da es sich um trockene Hitze handelt, können Lektine auch hier nicht ausreichend zerstört werden. Erst durch den Einsatz von Druck im Kochtopf entstehen Temperaturen über 112 Grad Celsius. Genau diese feuchte Hitze ist notwendig, um Lektine effektiv zu deaktivieren. Der Druckkochtopf auf der höchsten Stufe ist hierfür ein wirkungsvolles und praktisches Werkzeug. Siehe dazu die Rezepte für Reis und Kartoffeln aus dem Druckkochtopf.
Haftungsausschluss
Ich bin keine Ärztin oder medizinisch ausgebildet. Alles, was ich hier teile, basiert auf meinen Erfahrungen als Mama, die sich intensiv mit den Themen Autoimmunität und Allergien beschäftigt hat. Meine Inhalte ersetzen keine professionelle Beratung. Bitte handelt eigenverantwortlich und wendet euch bei Fragen oder Unsicherheiten immer an eure Ärztin oder euren Arzt.
